Vererbbarkeit des Facebook-Account einer Minderjährigen

Was passiert eigentlich im Todesfall mit dem Facebook-Account? Wie ist mit dem digitalen Nachlass umzugehen? Denn: Das soziale Netzwerk Facebook verbietet den Zugriff der Erben auf Accounts im „Gedenkzustand“.

Vorliegend verstarb die Tochter der Klägerin im Alter von 15 Jahren unter ungeklärten Umständen tragisch, als diese in Berlin von einer einfahrenden U-Bahn erfasst wurde. Die Klägerin erhoffte sich durch den Zugang zum Facebook-Account und den dort befindlichen Nachrichten und Posts eine Aufklärung des Todes ihrer Tochter. Im Raum stand der Verdacht eines Suizids. Zwar hatte die Mutter die Zugangsdaten ihrer verstorbenen Tochter, ein Zugang zu dem Account war jedoch nicht möglich. Vielmehr wurde dieser durch einen unbekannten Nutzer in den „Gedenkzustand“ gesetzt. Bislang bestimmten die AGB von Facebook (Beklagte), dass es Nutzern frei bestimmbar ist, was mit ihrem Account nach dem Tod geschieht. Entweder wird der Account vollständig gelöscht oder in den „Gedenkzustand“ versetzt, sodass Angehörige und Freunde weiterhin Erinnerungen des Verstorbenen teilen können. Neben Namen und Foto des Verstorbenen erscheint der Schriftzug „In Erinnerung“, die Beiträge bleiben sichtbar, eine Anmeldung ist aber nicht mehr möglich. Facebook gab im vorliegenden Fall die Zugangsdaten zu dem in einen Gedenkzustand versetzten Account und den Namen des unbekannten Nutzers nicht heraus. Die Mutter zog vor das zuständige Landgericht Berlin.

Das Landgericht Berlin (17.12.2015 – 20 O 172/15) gab der Klage statt und traf eine deutliche und wichtige Entscheidung: Facebook muss den Eltern der minderjährigen Verstorbenen als deren Erben vollen Zugang zum Facebook-Account gewähren.

Facebook-Nutzungsvertrag und die Erben

Das Gericht behandelt den Vertrag zwischen Facebook und seinen Nutzern wie ein schuldrechtlicher Vertrag, der auf die Erben übergangen ist. Zum Erbe gehören alle vermögensrechtlichen Teile, aber auch alle nicht vermögensrechtlichen Werte. Das Vertragsverhältnis sei im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB auf die Erben übergegangen. Vielmehr gebe es keinen triftigen Grund zwischen digitalem und analogem Nachlass zu unterscheiden. Würde man eine Unterscheidung vornehmen, würde das dazu führen, dass persönliche Briefe und Tagebücher unabhängig von ihrem Inhalt vererblich wären, E-Mails oder private Facebook-Nachrichten hingegen nicht. Briefe und Tagebücher gehören schließlich ebenfalls zum Nachlass.

Ebenso sei der Status „Gedenkzustand“ unwirksam, da dieser eine unangemessene Benachteiligung der Erben darstellt, wenn eine beliebige Person der Facebook-Freundesliste veranlassen könnte, dass das Profil des Nutzers in den Gedenkzustand versetzt werde und wenn dies auch von den Erben nicht rückgängig gemacht werden könne.

Das postmortale Persönlichkeitsrecht stehe einer Zugangsgewährung ebenso nicht entgegen, da bei einer Minderjährigen die Eltern auch die gesetzlichen Erben seien, so dass sie ohnehin für den weiteren Schutz dieses Persönlichkeitsrechts zuständig sind. Als Sorgeberechtigte dürften Eltern nämlich wissen, worüber ihr Kind im Internet kommuniziere – sowohl zu Lebzeiten als auch nach dessen Ableben.

Datenschutzrechtliche Bedenken stehen hier auch nicht entgegen. Hier ist auf das Deutsche Datenschutzrecht abzustellen, welches im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verankert ist. Aus diesem ergibt sich nicht, dass die Beklagte an der Zugangsgewährung gehindert wäre. Auf die Erblasserin ist das BDSG nicht anwendbar, weil es keinen Schutz von Toten bezweckt. In Bezug auf Daten Dritter kommt es zur Anwendung, da es Sinn und Zweck des BDSG ist, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird.

Datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch

Zudem kann von einem Auskunftsanspruch gemäß § 34 BDSG ausgegangen werden. Danach hat die Verantwortliche Stelle auf Verlangen Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten zu erteilen. Betroffene (§ 3 Abs. 1 BDSG) bezeichnet das BDSG als bestimmte oder bestimmbare Person, also eine lebende Person. Jedoch scheint es nach Auffassung des Gerichts unbillig die Erben auf der einen Seite als Rechtsnachfolger des Erblassers anzusehen, auf der anderen Seite aber nicht als Betroffene iSd § 34 BDSG.

„Das Datenschutzrecht muss aber hinter dem erbrechtlichen Befund im Wege praktischer Konkordanz zurückstehen“.

 

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