Mitbestimmung auch für Facebook Fan-Seiten

Eine vom Arbeitgeber betriebene Facebookseite, die es den Nutzern von Facebook ermöglicht, über die Funktion „Besucher-Beiträge“ Postings zum Verhalten und zur Leistung der beschäftigten Arbeitnehmer einzustellen, ist eine technische Einrichtung, die zur Überwachung der Arbeitnehmer iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bestimmt ist. Die Bereitstellung der Funktion „Besucher-Beiträge“ unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht nach Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 13.12.2016 – 1 ABR 7/15 und ändert damit die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2015 – 9 TaBV 51/14 ab.

Die Arbeitgeberin ist das herrschende Unternehmen eines Konzerns, der Blutspendedienste betreibt und unterhält bei Facebook eine Unternehmensseite zur einheitlichen Präsentation des Konzerns, deren Gestaltung mittels einer internetbasierten Software, die von Facebook zur Verfügung gestellt wird, erfolgt. Teil dieser Oberfläche ist die Möglichkeit registrierter Nutzern, „Besucher-Beiträge“ direkt auf die Seite zu posten, welche von allen Besuchern der Seite eingesehen werden können. Die Betreuung der Präsenz wird unternehmensübergreifend von etwa zehn Arbeitnehmern vorgenommen, die u.a. auch die Aufgabe haben einzelne Postings zu kommentieren oder zu entfernen. Im Rahmen dieser öffentlichen Zugänglichkeit postete ein Nutzer auf der Facebookseite einen Beitrag, in dem er sich über das Setzen der Injektionsnadel im Rahmen einer Blutspende beschwerte. Weitere Postings mit Vorwürfen gegenüber klar benannten Arbeitnehmern folgten.

Der Konzernbetriebsrat macht für diese Facebookseite ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geltend, da die Arbeitgeberin über eine von Facebook bereitgestellte Funktion Daten über das Verhalten von Arbeitnehmern zusammenführen könne. In jeden Fall würden die Leistungen der Arbeitnehmer, denen die Moderation der Facebookseite übertragen sei, elektronisch erfasst und gespeichert. Ein weiteres Problem sei außerdem, dass die Postings der Nutzer ohne vorherige Kontrolle allgemein einsehbar eingestellt werden könnten. Der Konzernbetriebsrat beantragte daraufhin die Arbeitgeberin zu verpflichten, die Facebookseite abzumelden, hilfsweise die Möglichkeit der öffentlichen Kommentierung durch Nutzer abzustellen und festzustellen, ob die Anmeldung auf Facebook ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verletzt.

Facebook, eine „technische Einrichtung“?

Nachdem das Arbeitsgericht dem ersten Antrag stattgegeben hatte, wurden die Wünsche des Betriebsrats durch das Landesarbeitsgericht vollumfänglich abgewiesen, wogegen sich hiesige Rechtsbeschwerde richtet. Das Bundesarbeitsgericht wies den ersten Antrag als unbegründet ab. Die der Arbeitgeberin durch Facebook ermöglichten Funktionen seien derzeit nicht dazu geeignet die Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten zu verwirklichen. Die Überwachung müsste außerdem durch die technische Einrichtung unmittelbar vorgenommen werden. Dies setzt jegliches Erheben, Speichern oder verarbeiten der Daten durch die Einrichtung selbst, hier also Facebook, voraus. Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen. Der Betrieb der Facebookseite führt nicht dazu, dass diejenigen Arbeitnehmer, die den Auftritt betreuen, durch eine technische Einrichtung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG überwacht werden. Die gebotenen Möglichkeiten seien nicht ausreichend, um Facebook als technische Einrichtung zu klassifizieren. Das Auswerten der Daten könne nicht dazu genutzt werden das Verhalten und die Leistung einzelner im Konzern beschäftigter Arbeitnehmer im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses zu überwachen. Ein Mitbestimmungsrecht des Konzernbetriebsrats folge auch nicht aus dem Umstand, dass die „Beiträge“ und „Kommentare“ der mit der Pflege der Facebookseite beschäftigten Arbeitnehmer auf dieser mit dem Datum und der Uhrzeit ihrer Einstellung versehen sind.

Überwachung berechtigt zu Mitbestimmung

Dem hilfsweise gestellten, zweiten Antrag des Betriebsrats stimmte das Gericht zu. Das Unterlassungsbegehren soll erreichen, dass die Arbeitgeberin Nutzern das Posten auf der Facebookseite nicht ermöglicht. Dem ausschließlich auf die Funktion „Besucher-Beiträge“ bezogenen Unterlassungsbegehren soll die Arbeitgeberin nachkommen, indem sie in den Einstellungen der Facebookseite die Option „Beiträge von anderen Personen auf der Seite deaktivieren“ aktiviert. Diese Änderung kann die Arbeitgeberin nachkommen, ohne den Betrieb der Facebookseite insgesamt einzustellen. Dementsprechend dient dieser Antrag nicht der vollständigen Abschaltung der Seite, was einem Präsenzverlust des Unternehmens gleichkommen würde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht dem Betriebsrat bei der Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 BetrVG ein Anspruch auf Unterlassen der mitbestimmungswidrigen Maßnahme zu. Bei der von der Arbeitgeberin betriebenen Facebookseite mit der Möglichkeit, Besucher-Beiträge zu posten, handele es sich tatsächlich um eine „technische Einrichtung“ iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, die zur Überwachung der Leistung und des Verhaltens der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer verwendet werden kann. Die Funktion „Besucher-Beiträge“ erlaube derzeit den Nutzern von Facebook, Postings zum Verhalten und zur Leistung von Arbeitnehmern auf der Seite der Arbeitgeberin einzustellen. Je nach dem Inhalt der Beiträge könnten diese namentlich oder situationsbedingt einem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet werden. Durch die Eröffnung und den Betrieb eines Kontos bei Facebook hat die Arbeitgeberin diese technische Einrichtung eingeführt und wendet sie an. Die Beiträge eröffnen die Möglichkeit in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer einzugreifen. Dieses umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfG – 1 BvR 2368/06 – Rn. 37). Durch leistungsbezogene Besucherbeiträge sehen sich die Arbeitnehmer einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt. Das gelte unabhängig davon, ob die Arbeitgeberin die erfassten Daten tatsächlich verarbeiten oder für Reaktionen auf festgestellte Verhaltens- oder Leistungsweisen verwenden will. Überwachung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sei nicht erst das Auswerten oder die weitere Verarbeitung schon vorliegender Informationen, sondern bereits das Sammeln derselben (vgl. BAG – 1 ABR 4/06 – Rn. 27). Auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers komme es deshalb nicht an. Es reiche aus, dass die Informationen durch die „Besucher-Beiträge“ eingegeben und mittels der eingesetzten Software einer dauerhaften Speicherung und zeitlich unbegrenzten Zugriffsmöglichkeit ausgesetzt würden.

 

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