Mitarbeiterüberwachung mittels App?

Eine vom Arbeitgeber betriebene Smartphone-App, die es den Nutzern ermöglicht, ein Kundenfeedback abzugeben, das auch Angaben zu Leistung und Verhalten der Mitarbeiter enthalten könnte, ist keine technische Überwachungseinrichtung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wenn der Arbeitgeber weder zur Abgabe derartiger Angaben auffordert, noch diese programmgemäß technisch weiterverarbeitet. Dies entschied das Arbeitsgericht Heilbronn mit Beschluss vom 8.6.2017 – 8 BV 6/16. Die Beteiligten streiten über das betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrecht beim Betreiben einer Smartphone-App. Der Betriebsrat macht für diese App ein Recht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geltend, da die Arbeitgeberin über eine in der App bereitgestellte Funktion Daten über das Verhalten von Arbeitnehmern zusammenführen könne. Die App bietet den Kunden der Arbeitgeberin u. a. Informationen über aktuelle Angebote, die Möglichkeit des Anlegens einer Einkaufsliste sowie eine Funktion zum Auffinden des nächsten Warenhauses. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit ein sogenanntes „Filial-Feedback“ abzugeben. Dieses ermöglicht den Kunden direkte Rückmeldungen zu einzelnen Filialen der Arbeitgeberin zu geben. In einem Formularfeld kann der Nutzer zu konkreten Filialen eine Bewertung abgeben, sowie einen freien Text verfassen. Der Betriebsrat sieht darin eine technische Einrichtung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, die eine Überwachung des Verhaltens der Angestellten ermöglichen würde und deshalb der Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretung unterliege. Er fordert die Arbeitgeberin deshalb auf, das Filial-Feedback in der App zu deaktivieren und Verhandlungen zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung bezüglich der Anwendung der App zuzustimmen. Die Arbeitgeberseite bestreitet das Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes, lehnt deshalb Verhandlungen ab und beantragt die Zurückweisung der Anträge.

App als mitbestimmungspflichtige technische Einrichtung?

Der Betriebsrat argumentiert, das Mitbestimmungsrecht ergebe sich daraus, dass die App eine technische Einrichtung darstelle, die es der Arbeitgeberin ermögliche, sowohl das Verhalten als auch die Leistung der Arbeitnehmer zu kontrollieren und mittels der durch die App gewonnenen Daten zu überwachen. Über die Feedbackfunktion ergebe sich die Möglichkeit, Kommentare zu Leistung und Verhalten der einzelnen Mitarbeiter abzugeben. Da diese durch die Arbeitgeberin verpflichtet seien, Namensschilder zu tragen, sei die Identifizierung der Betroffenen jederzeit möglich. Eine Identifikation sei zudem über Angaben zu Datum und Uhrzeit in Kombination mit den Einsatzplänen der jeweiligen Filialen erreichbar. Eine wirksame Anonymisierung der Daten durch die Arbeitgeberin erfolge nicht. Die Arbeitgeberin wiederrum ist der Auffassung, dass der Betrieb der App samt der Funktion Filial-Feedback nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliege. Es würden keine Informationen automatisiert von der App erhoben. Vielmehr übermittle diese lediglich Daten, die von Dritten eingegeben würden. Die App stelle letztlich nur einen weiteren Übertragungsweg für Kundenrückmeldungen dar, ebenso wie das Kontaktformular auf der Internetseite der Arbeitgeberin. Zudem erfolge auch keine technische Datenverarbeitung, da alle gewonnenen Daten anschließend manuell sortiert und einzelfallabhängig an die betroffenen Filialen weitergereicht würden. Damit stelle die App keine technische Einrichtung dar, die programmgemäß personenbezogene Arbeitnehmerdaten verarbeite. Auch ein öffentlicher Überwachungsdruck bestehe nicht, da die Kundenrückmeldungen der Allgemeinheit nicht zugänglich seien.

Gericht weißt Anträge des Betriebsrates als unbegründet ab

Der Betriebsrat hat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitzubestimmen, wenn eine technische Einrichtung zum Einsatz kommt, die dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. „Überwachung“ im Sinne dieser Vorschrift ist der Vorgang, durch den Informationen über Arbeitnehmer erhoben und aufgezeichnet werden, um sie der späteren Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Informationen müssten auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber herangezogen werden könnten (vgl. BAG v. 10. Dezember 2013 – 1 ABR 43/12 Rn. 20). Da die Überwachung im vorliegenden Fall aber nicht durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werde, sei für das Vorliegen eines Mitbestimmungstatbestandes nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erforderlich, dass die Daten programmgemäß durch die Einrichtung zu Aussagen über Verhalten oder Leistung einzelner Arbeitnehmer verarbeitet würden. Die streitgegenständliche App stelle jedoch lediglich eine weitere Übermittlungsmöglichkeit für Rückmeldungen durch Dritte dar. Sie verarbeite die Daten ebenso wenig wie das Kontaktpostfach der Arbeitgeberin auf der Website und stelle daher nur eine weitere Form des elektronischen Briefkastens dar. Darüber hinaus fordere die Arbeitgeberin die Kunden gerade nicht zu einem Feedback über das Verhalten und die Leistung der Mitarbeiter auf. Zwar könne die Aufforderung zu einem „Feedback“ die Kunden auch dazu verleiten, Kommentare über Mitarbeiter abzugeben; im Fokus stehe dies jedoch nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem ähnlichen Fall anders entschieden (wir berichteten: „Mitbestimmung auch auf Facebook“ vom Juni 2017), wonach eine Mitbestimmungspflicht besteht, wenn ein Unternehmen auf seiner Facebook-Seite Kunden die Möglichkeit bietet, Kommentare zu einzelnen Beschäftigten zu veröffentlichen. Danach ist der Außenauftritt eines Unternehmens im Internet zwar grundsätzlich nicht mitbestimmungspflichtig. Würden jedoch Kommentare zur Leistung oder dem Verhalten einzelner Mitarbeiter veröffentlicht, sei dies als Überwachung von Arbeitnehmern durch eine technische Einrichtung anzusehen. Der Betriebsrat habe dann ein Mitbestimmungsrecht.

 

Haben Sie Fragen zum Thema Mitbestimmungspflicht? Kontaktieren Sie gerne: RA Nicole Schmidt, LL.M. Leistung: Anwaltliche Beratung

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