Konzernbetriebsrat und die Zuständigkeit bei Überwachungseinrichtungen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Beschluss vom 26. Januar 2016 – 1 ABR 68/13 – eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. Juli 2013 – 17 TaBV 222/13 – aufgehoben und einem Konzernbetriebsrat das Recht verweigert, bei der Installation und Nutzung von Kameraüberwachungssystems im Betriebs mitzubestimmen.

Konfliktparteien waren die Konzernobergesellschaft eines Krankenhausbetreibers und der bei ihr gebildete Konzernbetriebsrat. In einem Klinikum der Arbeitgeberin waren zu Überwachungszwecken Kameras im Außenbereich und in den Fluren des Gebäudes installiert. Das Bildmaterial wurde auf mehreren Bildschirmen wiedergegeben; eine darüberhinausgehende Speicherung fand nicht statt. Von den Kameras wurden auch Arbeitnehmer von anderen Konzernunternehmen aufgenommen, die im Klinikum Werk- oder Dienstleistungen erbringen. Zwischen der Arbeitgeberin und dem Konzernbetriebsrat bestand eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Konzernbetriebsvereinbarung zur Verwendung arbeitnehmerbezogener Daten durch die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien“. Diese war qua Beschluss auch für eine Regelung über den Einsatz der auf dem Klinikumsgelände installierten Kameras und Bildschirme zuständig. Die Arbeitgeberin verneinte dem Konzernbetriebsrat die Ausübung dieses Beteiligungsrechts, da eine unternehmensübergreifende Regelung nur aufgrund der Aufzeichnung der Arbeitsleistung von Arbeitnehmern anderer Konzernunternehmen nicht bestünde. Der Konzernbetriebsrat widersprach dieser Ansicht selbstverständlich und beantragte die Abweisung des Antrags.

Das erstinstanzliche Arbeitsgericht entsprach dem Antrag. Das Landesarbeitsgericht hingegen wies ihn, nach einer Beschwerde des Konzernbetriebsrats, zurück. Mit der Rechtsbeschwerde nunmehr vor dem Bundesarbeitsgericht begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.

Konzern- oder einfacher Betriebsrat?

Die Arbeitgeberin wendet sich mit ihrer Rechtsbeschwerde jedoch lediglich gegen die Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats bezüglich der Anwendung des eingesetzten visuellen Aufzeichnungssystems. Hinsichtlich der Einführung eines solchen Systems hatte das Landesarbeitsgericht das Beteiligungsrecht des Konzernbetriebsrats bestätigt. Gegenstand des vor dem BAG ausgetragenen Rechtsstreits war nur die Zuständigkeit für Regelungen in Bezug auf den Betrieb der vorhandenen Kameras und Bildschirme, nicht deren ursprüngliche Einführung. Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts für einen bestimmten betrieblichen Vorgang betrifft ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien und kann nach der ständiger Rechtsprechung Gegenstand eines Feststellungsbegehrens iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sein (vgl. BAG 17. Februar 2015 – 1 ABR 45/13 – Rn. 26). Ein berechtigtes Interesse der Arbeitgeberin an einer Feststellung im vorliegenden Fall bestehe.

Am Verfahren sind neben der Arbeitgeberin und dem Konzernbetriebsrat die einzelnen Arbeitgeber des Konzerns, deren Arbeitnehmer im Arbeitsalltag in dem von den Kameras überwachten Bereich des Klinikums eingesetzt werden und deren Betriebsräte als Verfahrensbeteiligte beteiligt. Folglich betrifft die Entscheidung auch die betriebsverfassungsrechtliche Stellung dieser Angestellten. Hätte die Arbeitgeberin mit ihrer Beschwerde Erfolg, so läge die Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts in Bezug auf die Anwendung der Kameras und Bildschirme nicht beim Konzernbetriebsrat, sondern in den Händen eben jener konzernangehörigen Unternehmen und deren Arbeitnehmervertretungen.

 BAG: keine unternehmensübergreifende Angelegenheit

Das BAG entschied, dass dem Konzernbetriebsrat bei der Videoüberwachung kein Beteiligungsrecht zusteht und gab demnach der Beschwerde der Arbeitgeberin Recht. Die Mitbestimmung für ein solches Aufzeichnungssystem unterliege dem § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat unter anderem mitzubestimmen wenn es um die Anwendung von technischen Einrichtungen geht, die dazu dienen, das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen. Bereits das Landesarbeitsgericht hatte festgestellt, dass es sich bei den im Klinikum eingesetzten Kameras und Bildschirmen um eine solche technische Einrichtung handelt. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten in erster Linie den von den Arbeitnehmern unmittelbar durch Wahl legitimierten Betriebsrat vor. Er hat die Interessen der Belegschaft gegenüber dem Unternehmer wahrzunehmen. Diese Aufgabe weisen § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG dem Gesamtbetriebsrat und § 58 Abs. 1 S. 1 BetrVG dem Konzernbetriebsrat nur für den Fall zu, dass die zu regelnde Angelegenheit nicht auf einen einzelnen Betrieb beschränkt ist. Der Konzernbetriebsrat ist außerdem für die Behandlung von Angelegenheiten zuständig, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte geregelt werden können. Erforderlich wäre hierfür, dass es sich zum einen um eine mehrere Unternehmen betreffende Angelegenheit handelt und zum anderen ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmensübergreifende Regelung bestünde. Das Vorliegen eines zwingenden Erfordernisses bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands, der einer zu regelnden Angelegenheit zugrunde liegt.

 

Bei der Mitbestimmung gegenüber der Ausgestaltung des im Klinikum und auf seinem Außengelände eingesetzten visuellen Aufzeichnungssystems handelt es sich nicht um eine mehrere Unternehmen betreffende Angelegenheit iSv. § 58 Abs. 1 S. 1 BetrVG, da eine unternehmensübergreifende Nutzungs- und Überwachungsmöglichkeit des Aufzeichnungssystems nicht vorliegt. Eine Weitergabe der erhobenen Daten oder darauf bezogener Auswertungen an andere Konzernunternehmen erfolgt nicht. Diese haben auch keine Zugriffsmöglichkeit auf die im Klinikum installierten Geräte und die aufgezeichneten Daten. Es ist also Aufgabe und Recht des einfachen Betriebsrats die Rahmenbedingungen für den Einsatz des Überwachungssystems mit dem Arbeitgeber zu regeln.

 Fazit

Zur Vorbeugung solcher zeit- und ressourcenintensiver Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretungen kann der Abschluss einer Konzernbetriebsvereinbarung erwogen werden. Diese umfasst nicht nur einzelne Betriebe, sondern alle den Konzern bildenden Unternehmen. Mit Abschluss einer solchen umfassenderen Betriebsvereinbarung kann ein etwaiges Kompetenzgerangel innerhalb der Arbeitnehmervertretungen vermieden werden. Hierzu müssten die strukturell spezielleren Betriebsräte, einzelner Konzernteile dem Konzernbetriebsrat gem. § 58 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Angelegenheit delegieren. Somit kann der Abschluss einer Betriebsvereinbarung direkt zwischen Arbeitgeber und der „größeren“ Arbeitnehmervertretung stattfinden. Dies erleichtert nicht nur der Arbeitgeberseite die unternehmerische Mitbestimmung umzusetzen, sondern gewährt der Arbeitgebervertretung ebenso weitere Handlungsspielräume in Verhandlungen und gegenüber den subsidiären Betriebsräten. Beide Parteien profitieren von der Rechtssicherheit, die eine solche Vereinbarung für den gesamten Konzern ausstrahlt.

 

Haben Sie Fragen? Kontaktieren Sie gerne: RA Nicole Schmidt, LL.M.
Leistung: Anwaltliche Beratung

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