Betriebsrat muss bei Outlook mitbestimmen

Hat der Arbeitgeber vor der Einrichtung eines Outlook-Kalenders den Betriebsrat nicht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG beteiligt, ist eine Weisung den Gruppenkalender zu benutzen unwirksam. Eine entsprechende Abmahnung ist aus der Personalakte zu entfernen. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Nürnberg mit Urteil vom 26.08.2016 – 12 Ca 978/16 und bestätigte die Vorinstanz.

Der Kläger war seit vielen Jahren als Verkehrsmeister bei der Beklagten angestellt und verlangte die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte, die er erhalten hatte, nachdem er sich weigerte auf Anweisung eines Vorgesetzten zur Verwaltung seiner betrieblichen Termine das E-Mail-Programm Outlook zu verwenden. In der Funktionsmailbox mit dem Gruppenkalender „Tram“ waren zuvor alle Angestellten der Abteilung zusammengefasst worden. Die Arbeitgeberin hatte den Kläger daraufhin gewiesen, dass er verpflichtet sei, den Weisungen seiner Führungskraft nachzukommen und das Programm zu nutzen. Für den Fall eines weiteren vergleichbaren Vorfalles kündigte sie weitergehende arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zur Kündigung an.

In seinem Urteil gab das Arbeitsgericht dem Kläger Recht. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass dieser nicht verpflichtet gewesen sei, der Weisung, den Gruppenkalender zu benutzen, nachzukommen, da die Einrichtung des Gruppenkalenders ohne die erforderliche Beteiligung des Betriebsrats erfolgt sei. Daraufhin legte die Beklagte Revision beim Landesarbeitsgericht Nürnberg ein. Sie vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Gruppenkalender über Outlook nicht um eine technische Einrichtung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG handele. Und selbst wenn man davon ausginge, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht habe, sei dieses mit der zwischen den Parteien geschlossenen Betriebsvereinbarung zum Umgang mit Informations- und Kommunikationsanlagen gewahrt. In dieser hätten die Betriebsparteien geregelt, dass der Arbeitgeber Zugang zu allen relevanten dienstlichen Informationen habe. Der Kläger hingegen vertritt die Ansicht mit dem Gruppenkalender lasse sich im Verlauf zahlreicher Monate ein Verabredungsprofil erstellen.

„Outlook-Kalender ist eine technische Einrichtung“

Das Landesarbeitsgericht stimmt der Argumentation des Klägers zu; die Beklagte hat dem Kläger zu Unrecht eine Abmahnung erteilt. Die Beklagte sei grundsätzlich im Rahmen des ihr zustehenden Direktionsrechts aus § 106 GewO berechtigt, dem Kläger die Anweisung zu erteilen, den bei ihr eingerichteten Gruppenkalender zu benutzen. Auch bezieht sich das Direktionsrecht des Arbeitgebers insbesondere darauf, dass die Arbeitnehmer technische Einrichtungen, die zur Verfügung stehen, verwenden. Jedoch war die Beklagte bei der Einrichtung des Gruppenkalenders nicht völlig frei. Der im Betrieb der Beklagten bestehende Betriebsrat wäre gemäß § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG zu beteiligen gewesen. Dies resultiert daraus, dass das Gericht den Kalender als technische Einrichtung charakterisierte.

Bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. Überwachung iSd. § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG ist ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers erhoben und aufgezeichnet werden können, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Informationen müssen auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber heranziehbar sind. Die Überwachung muss aber durch die technische Einrichtung direkt bewirkt werden. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG setzt daher voraus, dass die technische Einrichtung selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge verarbeitet. Ausreichend ist dabei, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt. Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen dann, wenn sie schlichtweg geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen der Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen; auf die tatsächliche Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an (vgl. BAG vom 26.07.1994 1 ABR 6/94).

Betriebsrat hätte zustimmen müssen

Der Betriebsrat ist vor der Einrichtung des Gruppenkalenders nicht beteiligt worden. Insbesondere stellt die Betriebsvereinbarung zwischen den Parteien keine vorweggenommene Zustimmung zur Einrichtung des Kalenders dar, da diese lange vor der Einführung des Kalenders erfolgte und sich nur auf bereits bestehende Mechanismen bezog.

Die fehlende Beteiligung des Betriebsrats führt folglich zur Unwirksamkeit der Abmahnung. Abgemahnt werden können nämlich nur Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten. Da der Betriebsrat bei der Einführung des Gruppenkalenders nicht beteiligt wurde, war der Kläger nicht verpflichtet und deshalb berechtigt, der Anordnung der Beklagten, den Gruppenkalender zu nutzen, nicht Folge zu leisten. Da die Abmahnung daher unberechtigt war, ist sie aus der Personalakte zu entfernen.

 Praxistipp

Gemäß der sog. Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzungen und wie im Sachverhalt beschrieben führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates im Verhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien zur Unwirksamkeit von Maßnahmen und Rechtsgeschäften, die den Arbeitnehmer belasten. Hierdurch soll verhindert werden, dass sich der Arbeitgeber dem Einigungszwang mit dem Betriebsrat durch individualrechtliche Maßnahmen entzieht. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu klargestellt, dass dem Arbeitgeber aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtwidrigkeit im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kein Vorteil erwachsen darf. Dabei ist die konkrete Art und Weise der Überwachung unerheblich, denn § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist zum Schutze der Arbeitnehmer gedacht und umfasst auch neue technische Entwicklungen.

 

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Leistung: Anwaltliche Beratung

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