Kein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte?

Eine Abmahnung vom Arbeitgeber bekommen? Steht dem Arbeitnehmer nun nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf die Entfernung dieser Abmahnung aus der Personalakte zu?

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen gestattet einem Arbeitnehmer mit Urteil vom 04.05.2021 (11 Sa 1180/20) keinen Anspruch aus der DSGVO auf die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn diese in Papierform geführt wird. In seiner Entscheidung führt das LAG jedoch nicht weiter aus, inwieweit die Regelungen der DSGVO bei elektronisch geführten Personalakten greifen.

Sachverhalt

Dem geltend gemachten Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte könne nicht entgegengehalten werden, dass mit Blick auf den noch anhängigen Kündigungsrechtstreit nicht feststellbar sei, dass die Daten in der Abmahnung nicht mehr benötigt würden. Darauf wies das LAG in seiner Entscheidung gegen die Entfernung der Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hin. Außerdem erwähnt es, dass alle hier streitigen Rechtsfragen innerhalb desselben Rechtsstreits entschieden würden und das Arbeitsverhältnis unstreitig seit längerem beendet sei.

Art. 88 DSGVO

Art. 88 DSGVO stelle lediglich eine lex specialis hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext dar, welcher jedoch nur eine Öffnungsklausel für besondere Regelungen der Mitgliedsstaaten vorstelle.

Dahingegen sei in Art. 88 DSGVO i.V.m. § 26 BDSG die Zulässigkeit der Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses geregelt, wobei dort keine spezifische Lösungsvorschriften für das Beschäftigungsverhältnis enthalten seien. § 35 BDSG verweise für das Recht auf Löschung auf Art. 17 DSGVO. Dieser beinhalte seinerseits in Abs. 3 einen generellen Vorbehalt zu Gunsten gesetzlicher Aufbewahrungsfristen, welche sich im Arbeitsverhältnis insbesondere in sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Hinsicht ergebe. Die Literatur vertrete, dass die personenbezogenen Daten, damit auch die Abmahnung, nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses generell zu löschen seien, soweit keine Aufbewahrungspflichten bestünden. Dies würde wiederum dazu führen, dass der Arbeitgeber nach der Beendigung eines jedem Arbeitsverhältnisses den vorhandenen Datenbestand des jeweiligen Arbeitnehmers danach sortieren müsste, ob Aufbewahrungsfristen bestehen oder nicht.

Personalakte in Papierform

Erhebliche Zweifel sehe das LAG darin, ob oder wieweit die noch traditionell in Papierform geführte Personalakte, worin die Abmahnung enthalten ist, von dem Anwendungsbereich der DSGVO und der BDSG erfasst sei. Der Begriff der Personalakte ist gesetzlich nicht definiert. Art. 2 Abs.1 und Art. 4 Nr.6 DSGVO lege den Begriff der Dateisysteme zugrunde. Dabei nimmt das LAG, unabhängig von der Frage, ob der Begriff zwischen automatisierten und nicht automatisierten Vorgängen unterscheidet, Bezug auf den Erwägungsgrund 15 S.3 der DSGVO. Darin sei ausdrücklich formuliert, dass Akten, die nicht nach bestimmten Kriterien geordnet sind, nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen sollen. Der rechtliche Grundsatz der Vollständigkeit sei insbesondere für die Personalakte bestimmend, nicht der Grundsatz der Datensparsamkeit.

Das LAG kommt insgesamt zum Ergebnis, dass auch die datenschutzrechtlichen Neuregelungen auf Basis der DSGVO eine derartig grundlegende Veränderung des Rechtsschutzes zumindest im Bereich der in Papierform geführten Personalakte nicht erfordern.

Bewertung und Ausblick

Das LAG Niedersachsen entschied sich entgegen der in einem vergleichbaren Fall ergangenen Entscheidung des LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 23.11.2018, 5 Sa 7/17), welches den Anspruch auf die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte unter Berufung auf Art. 17 Abs.1 DSGVO bejaht. Die betroffene Person hätte nämlich nach der Entscheidung des LAG Sachsen-Anhalt das Recht, dass personenbezogenen Daten unverzüglich nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelöscht werden. Dies gelte auch für die in Papierform geführte Personalakten.

Da das LAG Niedersachsen deutlich Personalakten in Papierform von Dateisystemen trennt, lässt sich letztlich vermuten, dass bei elektronischen Personalakten die DSGVO zur Anwendung kommen kann und somit ein Anspruch auf die Löschung der Personalakte nach Ende des Arbeitsverhältnisses besteht.

Die Frage, ob denn nun ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte in Papierform nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht, bleibt nach wie vor offen. Die Argumentation des Gerichts ist an manchen Stellen leider nicht nachvollziehbar und sie lässt uns nicht näher wissen, was hinter den Überlegungen steckt.

Es stellt aber klar, dass eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) dabei helfen sollte, Klärung zu bringen und lässt die Revision zum BAG zu.

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