Gebühr für Kopien der Prüfungsarbeiten?

Examenskandidaten werden häufig viele Hürden in die Einsichtnahme ihrer Prüfungsarbeiten auferlegt.

Allgemeiner Wunsch der Prüfungskandidaten und Kandidatinnen ist es herauszufinden, welches Korrekturschicksal die jeweiligen Prüfungsarbeiten erlitten haben. Um diesem Wunsch jedoch nachzukommen müssen die Prüflinge viele bürokratische Stolpersteine überwinden. Viel Zeit hat man dafür jedoch nicht, da verschiedene Bundesländer jeweils unterschiedliche Fristen und Regelungen für diesen bürokratischen Hürdenlauf vorsehen. Dabei gibt es auch nur wenig zeitliche Flexibilität. Die Prüflinge sind meist an strikte Büroöffnungszeiten („In der Zeit von 9.00 Uhr bis 11.30 Uhr sind wir für Sie da“) zur Einsichtnahme der Prüfungsarbeiten gebunden. Vielerorts ist unklar, ob Kopien angefertigt werden dürfen oder die Prüflinge sich auf handschriftliche Notizen beschränken müssen.

Um den Prüflingen immerhin ein wenig entgegen zu kommen, bietet beispielsweise das Bundesland Niedersachsen den Prüflingen die Möglichkeit sich die Prüfungsarbeiten an ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit senden zu lassen, um dann bei Gericht Einsicht nehmen zu können. Den Service der Kopien der Prüfungsarbeiten kann man jedoch nur gegen eine Gebühr in Anspruch nehmen. In Nordrhein-Westfalen haben die Prüflinge auch die Möglichkeit gegen Kostenerstattung Kopien der Prüfungsarbeiten und der Aufgabentexte anzufordern. Für die Kopien fallen jedoch für die ersten 50 Seiten 50 Cent pro Seite und wird erst ab Seite 51 etwas preiswerter mit 15 Cent pro Seite.

Bereits 2017 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C‑434/16 jedoch, dass für die Herausgabe von personenbezogenen Daten, wie den Prüfungsarbeiten von Examensklausuren kein Geld verlangt werden darf. Die Gebühren für Kopien sollten also längst Geschichte sein. Dennoch müssen Prüflinge in der Praxis nach wie vor für die Kopien der Prüfungsarbeiten bezahlen, wenn sie diese nicht vor Ort wahrnehmen können.

Urteil des EuGH

Die Entscheidung ist Peter Nowak aus Irland zu verdanken. Dieser war bei einer Prüfung durchgefallen und hatte zunächst erfolglos Beschwerde gegen sein Prüfungsergebnis eingelegt.

Anschließend forderte er von der prüfenden Einrichtung die Herausgabe sämtlicher sich dort befindlicher personenbezogener Daten, unter anderem auch seiner Prüfungsarbeiten. Er argumentierte, dass es sich bei den Daten und Prüfungsleistungen um „personenbezogene Daten“ handelt. Das irische Gericht lehnte sein Begehren jedoch mit der Begründung ab, dass die Prüfungsarbeiten keine personenbezogenen Daten im Sinne des irischen Datenschutzgesetzes darstellen. Der Oberste Gerichtshof in Irland sah sich indes veranlasst dem EuGH die Frage vorzulegen, ob Informationen, die von einem Prüfling in einer berufsbezogenen Prüfung in seiner Antwort bzw. als Antwort aufgezeichnet wurden, personenbezogene Daten im Sinne der Richtlinie 95/46/EG darstellen können.

Dies hat der EuGH bejaht: „Art. 2 Buchstabe a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die schriftlichen Antworten eines Prüflings in berufsbezogenen Prüfungsarbeiten und etwaige Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten ‚personenbezogene Daten‘ im Sinne dieser Bestimmung darstellen. (Rechtssache C-434/16)

Validität des Urteils nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung

Mit Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) am 25. Mail 2018 wurde die Richtlinie 95/46 mit Wirkung von diesem Datum an aufgehoben, sodass die Frage zu klären ist, ob die Entscheidung des EuGHs auch weiterhin noch unter der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) Bestand haben wird.

Klarstellendes Urteil

Mit Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Gelsenkirchen (Urteil vom 27.04.2020 – 20 K 6392/18) ist nun bundesweit ein erstes verbindliches Urteil gefällt worden. Das Gericht hatte den Anspruch eines Jura Prüflings auf Herausgabe seiner personenbezogenen Daten durch kostenfreie Kopien seiner Prüfungsarbeiten im Zweiten Staatsexamen vollumfänglich stattgegeben.

Abgesehen von einigen wenigen landesrechtlichen Details beschäftigt sich das Urteil mit wesentlichen Fragen, die sich ebenfalls in weiteren Verfahren auf Bundesebene stellen. Die Kläger berufen sich dabei auf den Auskunftsanspruch nach Art. 12 Abs. 5, S. 1 und Art. 15. Abs. 3 DSGVO und verweisen auf das EuGH-Urteil von 2017.

Das VG hat nun entschieden, dass dahinstehen kann, ob der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO direkt oder analog eröffnet ist oder nicht. Der Anspruch ergibt bereits aus § 5 Abs. 8 S. 1 Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen i.V.m. Art. 15 Abs.3 und Art. 12 Abs.5 S.1 DSGVO.

Auch die vom LJPA dargelegte Befürchtung, das LJPA könne in seiner Funktionsfähigkeit durch Überlastung beeinträchtigt werden, wenn nun jeder Prüfling einen Anspruch auf Herausgabe kostenloser Kopien der Prüfungsarbeiten hätte, lehnt das Verwaltungsgericht ab. In Zeiten der digitalen Welt sei damit zu rechnen, dass Prüflinge sich mit elektronischen Kopien, etwa im PDF-Format, zufriedengeben werden. Zudem müssen sich auch Verwaltungen an die neuen Gegebenheiten des Datenschutzes und der Datenschutzgrundverordnung anpassen. Es wird daher erwarte, dass neue Hard- und Software installiert werden, zusätzlichen Personal eingestellt wird oder die Arbeit unter den Mitarbeitern umverteilt wird.

Schließlich beschränkt das Urteil auch nicht den § 23 JAG NRW, der die Einsichtnahme vor Ort verlangt. Ein Auskunftsanspruch würde einer Einsichtnahme vor Ort nicht entgegenstehen. Trotz der Anfertigung von kostenlosen Kopien kann das LJPA die Prüflinge weiterhin auffordern gem. § 23 JAG NRW vor Ort zu erscheinen.

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