EuGH: datenschutzrechtlicher Anspruch auf Zugang zu eigener Prüfungsarbeit

Einleitung

Der EuGH (Der Europäische Gerichtshof ist das oberste rechtssprechende Organ der Europäischen Union.)hat am 20.12.2017 entschieden, dass die in einer berufsbezogenen Prüfung gegebenen schriftlichen Antworten und etwaige Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten personenbezogene Daten des Prüflings darstellen, hinsichtlich deren er grundsätzlich ein Auskunftsrecht hat.

Sachverhalt

Es geht im Folgenden um einen Rechtsstreits zwischen einem Datenschutzbeauftragten (Data Protection Commissioner) von Irland wegen dessen Weigerung, der Kläger zu einer korrigierten Arbeit einer Prüfung, an der er teilgenommen hatte, zu gewähren. Der Kläger war Trainee Accountant (Wirtschaftsprüfer/Steuerberater in Ausbildung) und hatte die Prüfungen des Institute of Chartered Accountants of Ireland (irische Berufsorganisation der Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, im Folgenden: CAI) der Stufe 1 im Fach Rechnungswesen sowie drei Prüfungen der Stufe 2 mit Erfolg abgelegt. Er fiel jedoch durch die Prüfung „Strategic Finance und Management Accounting“ durch. Dabei handelte es sich um eine Prüfung, bei der Dokumente benutzt werden durften („open book exam“). Nach seinem Scheitern in dieser Prüfung im Herbst 2009 reichte der Kläger zunächst Beschwerde ein, um ihr Ergebnis anzufechten. Nachdem diese Beschwerde zurückgewiesen worden war, stellte er einen Antrag auf Auskunft, der sich auf sämtliche ihn betreffenden und im Besitz der Berufsorganisation der Wirtschaftsprüfer/Steuerberater befindlichen personenbezogenen Daten bezog.

Entscheidung des Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland)

Der Antrag auf Auskunft wurde von dem Datenschutzbeauftragten abgelehnt. Die damit begründet wurde, dass die darin enthaltenen Informationen keine personenbezogenen Daten darstellten. Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben. Jedoch scheiterte er in den Vorinstanzen. Erst der Oberster Gerichtshof in Irland hielt die Klage für zulässig. Da der Supreme Court jedoch Zweifel hat, ob eine Prüfungsarbeit unter den Begriff „personenbezogene Daten“ i.S.d. RL 95/46 fallen kann, hat er beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Argumentation des EuGH

Zu prüfen war für den EUGH, ob die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu Informationen über den Prüfling i.S.v. Artikel 2 lit. a RL 95/46 darstellen. Er stellte insoweit klar, dass in der Verwendung des Ausdrucks „alle Informationen“ im Zusammenhang mit der Bestimmung des Begriffs „personenbezogene Daten“ in der Richtlinie das Ziel des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck kommt, diesem Begriff eine weite Bedeutung beizumessen. Er sei nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasse potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen „über“ die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung sei erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist. Zunächst spiegelt der Inhalt dieser Antworten nämlich den Kenntnisstand und das Kompetenzniveau des Prüflings in einem bestimmten Bereich sowie ggf. seine Gedankengänge, sein Urteilsvermögen und sein kritisches Denken wider. Im Fall einer handschriftlich verfassten Prüfung enthalten die Antworten zudem kalligrafische Informationen (die Kunst des „Schönschreibens“ von Hand). Des Weiteren zielt die Sammlung dieser Antworten darauf ab, die beruflichen Fähigkeiten des Prüflings und seine Eignung zur Ausübung des betreffenden Berufs zu beurteilen. Schließlich kann sich die Verwendung dieser Informationen, die insb. im Erfolg oder Scheitern des Prüflings der in Rede stehenden Prüfung zum Ausdruck kommt, insoweit auf dessen Rechte und Interessen auswirken, als sie z.B. seine Chancen, den gewünschten Beruf zu ergreifen oder die gewünschte Anstellung zu erhalten, bestimmen oder beeinflussen kann. Somit handele es sich aus den Gründen im Vorliegenden Fall um Personen bezogene Daten.

Achtung der Privatsphäre

Aufgrund dieser Einordnung steht dem Prüfling auch ein Auskunftsrecht zu. Er habe unter anderem ein auf dem Schutz seiner Privatsphäre aufbauendes berechtigtes Interesse daran, widersprechen zu können, dass die von ihm in der betreffenden Prüfung gegebenen Antworten und die Anmerkungen des Prüfers ohne seine Zustimmung außerhalb des Prüfungsverfahrens verarbeitet und an Dritte weitergegeben oder sogar veröffentlicht werden.

Bewertung

Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 2 lit. a RL 95/46 dahin auszulegen ist, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten „personenbezogene Daten“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

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