Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 25. August 2022 (Az.: 2 AZR 225/20) zu Lasten eines Arbeitgebers entschieden, dass der Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte im Einklang mit europäischem Datenschutzrecht steht.
Sachverhalt
Die Klägerin ist als Teamleiterin Recht und zusätzliche betriebliche Datenschutzbeauftragte bei der Beklagten beschäftigt. Im Jahr 2018 erhielt die Klägerin bereits im ersten halben Jahr des Arbeitsverhältnisses die Kündigung und den Widerruf ihrer Position als Datenschutzbeauftragten. Bei dem Beklagten handelt es sich um ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen, welches gesetzlich zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet war. Im Kündigungsschutzprozess machte die Klägerin eine Verletzung des Sonderkündigungsschutzes für Datenschutzbeauftragte geltend und begehrt die Feststellung, dass die gegen sie ausgesprochene Kündigung unwirksam ist und dass ihre Stellung als Datenschutzbeauftragte fortbesteht. Der Beklagte beruft sich auf die ordnungsgemäße Abberufung, sowie auf einen Verstoß des besonderen Kündigungsschutzes für Datenschutzbeauftragte gegen das Unionsrecht. Der Arbeitgeber meinte, es bestehe kein Kündigungsschutz, da die entsprechende gesetzliche Regelung gegen die höherrangige DSGVO verstoße. Zudem sei er, bei Bestehen eines Sonderkündigungsschutzes, in unzulässiger Weise in seinen Grundrechten beschränkt worden.
Beide Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Revision der Beklagten beim BAG ist zunächst ausgesetzt worden, da der europäische Gerichtshof (EuGH) um eine Vorabentscheidung über die Vereinbarkeit des Sonderkündigungsschutzes mit der DSGVO gebeten wurde.
Der EuGH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass auch Bestimmungen in der DSGVO den Zweck haben, die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten zu sichern und es den EU-Mitgliedsstaaten freistehe, einen strengeren Schutz in Form eines Sonderkündigungsschutzes festzulegen, wenn sie dadurch nicht die Verwirklichung der Ziele der DSGVO beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung sieht der EuGH allerdings beim Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte nicht.
Die Entscheidung
Laut BAG ist die zulässige Revision der Beklagten unbegründet. Die von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung sei gemäß § 38 Abs.1 S.1 und Abs.2 i.V.m. § 6 Abs.4 S.2 BDSG, § 134 BGB nichtig. Der Klägerin könnte als zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs verpflichtend bestellte Datenschutzbeauftragte der Beklagten nur außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden, denn ihr stand der vom EuGH nicht beanstandete deutsche Sonderkündigungsschutz zu. Der durch das BDSG normierte Sonderkündigungsschutz des betrieblichen Datenschutzbeauftragten sei mit dem Unionsrecht und dem nationalen Verfassungsrecht vereinbar. Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Datenschutzbeauftragten lasse nicht erkennen, dass die Ziele der DSGVO in einer unzulässigen Weise beeinträchtigt werden. Ziel des Art. 38 Abs.3 S.2 DSGVO sei nach dem Erwägungsgrund 97 zur DSGVO, dass die Datenschutzbeauftragten unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Beschäftigte des Verantwortlichen handelt oder nicht, ihre Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit „ausüben können sollten“. Die von dem Beklagten vorgeführten Gründe seien nicht geeignet, eine unzulässige Beeinträchtigung der Ziele des DSGVO allein durch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses aufgrund der nationalen Kündigungsschutzregelung aufzuzeigen.
Entgegen der von dem Beklagten zuletzt vertieften Auffassung verstieße die normative Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes von betrieblichen Datenschutzbeauftragten nicht gegen seine Grundrechte.
In Bezug auf das Grundrecht aus Art. 14 Abs.1 GG sei schon der Schutzbereich nicht berührt. Die Eigentumsgarantie schütze das Erworbene, also die Ergebnisse geleisteter Arbeit. Art. 12 Abs.1 GG dagegen den Erwerb, mithin die Betätigung selbst. Da sich der Beklagte gegen Regelungen wendet, die ihre Erwerbs- und Leistungstätigkeit als Unternehmerin beeinträchtigen (können), sei allein der Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt.
Hinsichtlich des Eingriffs in den Schutzbereich von Art. 12 Abs.1 GG sei die gesetzliche Regelung gemessen an der Regelungsabsicht eine geeignete, erforderliche wie auch angemessene Einschränkung der Berufsfreiheit, die im Wesentlichen dem Sonderkündigungsschutz für Betriebsräte (§ 15 Abs.1 KSchG) entspreche. Durch den Sonderkündigungsschutz soll der Datenschutzbeauftragte vor einem Arbeitsplatzverlust bewahrt werden, der ihm wegen der unabhängigen Ausübung seiner Tätigkeit drohen könne. Nur so könne die Unabhängigkeit im Interesse eines effektiven Datenschutzes gestärkt werden. Zudem sei es laut BAG eine freie Entscheidung des Arbeitgebers, ob dieser einen internen Mitarbeiter als Datenschutzbeauftragten beruft und ob er stattdessen auf externe Datenschutzbeauftragte zurückgreift.
Ferner berufe sich die Beklagte ohne Erfolg auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs.1 GG. Der Gesetzgeber habe mit dem Kündigungsschutz aus § 38 Abs.1 und Abs.2 i.V.m. § 6 Abs.4 S.2 BDSG nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen.
Konsequenz für Unternehmen
Bei der Berufung eines Datenschutzbeauftragten ist im Vorfeld genau zu überlegen, wen man auf diese Position setzt. Der Arbeitgeber sollte kritisch prüfen, ob die Bestellung eines Arbeitnehmers zum internen Datenschutzbeauftragten, der ab dem Tag der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten Sonderkündigungsschutz genießt, erforderlich ist. Alternativ könnte ein externer Datenschutzbeauftragter vorteilhafter sein. Auch eine nur befristete Bestellung eines Arbeitnehmers zum internen Datenschutzbeauftragten kann hier in Erwägung gezogen werden. Es sollte berücksichtigt werden, dass die Anforderungen an einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers von der Rechtsprechung hoch angesetzt werden.