Das betriebliche Eingliederungsmanagement (bEM) – das sind die Anforderungen an den Umfang des Datenschutzes

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 20.10.2021, AZ: 4 Sa 70/20 entschieden, dass die Datenverarbeitung im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) datenschutzkonform zu erfolgen habe.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen, krankheitsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers sowie hilfsweise über eine Weiterbeschäftigung des Klägers. Der Kläger war seit 2014 als Produktionsmitarbeiter beschäftigt und war in den Jahren 2016 bis 2019 häufig kurz erkrankt. Für sämtliche Fehltage war die Beklagte entgeltfortzahlungspflichtig. Bei einer erneuten Erkrankung im Januar 2020 hatte der Beklagte den Kläger zu einem bEM eingeladen, um zu klären, wie die häufige Arbeitsunfähigkeit überwunden werden sollte und somit ein Arbeitsplatz für den Kläger erhalten werden kann.

Der Kläger reagierte auf die Einladung nicht und wurde aufgrund hoher Krankheitszeiten nach Anhörung des Betriebsrates ordentlich gekündigt. Der Kläger erhebt daraufhin eine Kündigungsschutzklage und wendet ein, dass das bEM Verfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet wurde. Das ArbG Reutlingen hat der Klage stattgegeben.

 

Entscheidung

Mit einer abweichenden Begründung bestätigt das LAG diese Entscheidung. Die ordentliche Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt und aufgrund eines nicht ordnungsgemäß eingeleiteten bEM Verfahrens unverhältnismäßig, weshalb sie unwirksam sei. Die Beklagte habe trotz Notwendigkeit der Durchführung eines bEM ein solches nicht ordnungsgemäß eingeleitet.

Der Arbeitnehmer müsse laut Gericht nicht nur über die Ziele, sondern auch über Art und Umfang der dabei erhobenen Daten informiert werden. Dies folge aus § 167 Abs.2 S.4 SGB IX. Hieraus ergebe sich auch vielmehr, dass die Datenverarbeitung datenschutzkonform zu erfolgen hat. Die Notwendigkeit des Datenschutzes ergebe sich besonders aus dem Spannungsfeld zwischen dem Erkenntnisinteresse des Arbeitgebers und dem Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes trotz Krankheit abzuleiten.

Ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung sei erforderlich, um klarzustellen, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes bEM durchführen zu können. Demnach müsse dem Arbeitnehmer mitgeteilt werden, welche Gesundheitsdaten i.S.v. Art. 9 Abs.1, 4 Nr.15 DSGVO erhoben und gespeichert werden und inwieweit, für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei einer entsprechenden Unterrichtung sei das Einladungsschreiben ordnungsgemäß im Sinne des § 167 Abs. 2 Satz 4 SGB IX.

Der Arbeitgeber dürfe ohne ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen nur Zugang zu Daten haben, die für den Nachweis der Erfüllung der Pflicht zum bEM erforderlich sind. Diagnosen und ähnliche sensible Daten hingegen seien dem Arbeitgeber ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung des Betroffenen nicht zugänglich.

Hier habe der Arbeitgeber jedoch in der Datenschutzerklärung versucht, von dem Kläger eine Einwilligung nicht nur zur Erhebung und Nutzung von Gesundheitsdaten zu erlangen, sondern auch zur Bekanntmachung dieser Daten unter anderen gegenüber dem Vorgesetzten und der Standortleitung. Es sei der fälschliche Eindruck erweckt worden, dass die Gesundheitsdaten an Vertreter des Arbeitgebers weitergegeben werden können, die nicht im bEM Verfahren beteiligt sind. Ein Hinweis, dass Angaben gegenüber dem Arbeitgeber zu Diagnosen oder ähnlich sensiblen Daten freiwillig sind, habe gefehlt. Der Kläger hätte, so das Gericht, nicht erkennen können, dass die im Datenschutzhinweis benannte Bekanntgabe seiner Gesundheitsdaten an die Standortleitung nur bei einem zusätzlichen Einverständnis in eine Verfahrenserweiterung erfolgen solle. Für die Bekanntmachung aller offenbarter Gesundheitsdaten, darunter insbesondere Diagnosen, gegenüber der Standortleitung bestehe dagegen kein nachvollziehbarer Grund. Eine freiwillige Überlassung i.S.d. Art. 9 Abs. 2a, 7 DSGVO bedürfe eines besonderen Hinweises, dass die Überlassung freiwillig sei. Wegen der fehlerhaften Angaben zur Datenverwendung sei das BEM nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden.

Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer ordnungsgemäßen Unterrichtung über das bEM der Kläger an einem solchen teilgenommen hätte. Die ordentliche Kündigung sei damit unwirksam.

 

Konsequenz für Unternehmen

Dem Arbeitgeber stehen bei der Einführung des bEM Verfahrens wichtige Pflichten zu, darunter auch die Beachtung des Datenschutzes. Erfolgt ein Verstoß gegen den Datenschutz, so wird das Verfahren des bEM wegen der fehlerhaften Angaben zur Datenverwendung nicht ordnungsgemäß durchgeführt.

Zu beachten ist also, dass der Arbeitnehmer im Rahmen eines Einladungsschreibens über diverse Dinge aufgeklärt wird. Ihm ist ein Hinweis in Bezug auf die Datenerhebung und Datenverwendung zu übermitteln, welcher klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Genesung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchzuführen.

Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer nicht im bEM Verfahren beteiligten Vertretern des Arbeitgebers im Verfahren mitgeteilte Diagnosedaten bekannt macht. Wenn dem Arbeitnehmer dennoch eine Einwilligung in eine solche Datenoffenlegung abverlangt wird, ist im besonderen Maße auf die Freiwilligkeit hinzuweisen.

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