Bayerische Verwaltungsgerichtshof Beschluss vom 29.08.2017 (Az. 5 ZB 16.2227)

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, AZ: 5 ZB 16.2227)  hat mit Beschluss vom 29.08.2017  eine recht interessante und ausführlich begründete Entscheidung über den Umfang des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs getroffen. Zwar ging es in dem Verfahren insbesondere um die Auslegung des Art. 10 BayDSG. Jedoch ähnelt diese Vorschrift dem § 34 BDSG. Die Ausführungen des VGH lassen sich daher auch auf die Anwendung des § 34 BDSG übertragen. 

Um was ging es?

Der Kläger begehrte eine umfassende Datenauskunft vom Beklagten, einer Rundfunkanstalt des öffentlichen Rechts. Dabei lag er mit der Rundfunkanstalt wohl schon länger im Clinch. So sprach die Rundfunkanstalt gegenüber dem Kläger wohl zuvor auch ein Hausverbot aus. Der Kläger wollte mit seiner Klage auf Auskunft über handschriftliche Notizen, hausinternen und der eingescannten Schriftverkehr, einschließlich der Verschlagwortung der Dokumente, Freitexte und Ordnungsmerkmale. Auch sollten Aktennotizen und Gesprächsnotizen übersendet werden. Zudem seien leere Datenfelder ebenso wie fachliche Annahmen zu beauskunften. Der Kläger meinte zudem, sein Auskunftsanspruch beziehe sich auch auf fachliche Annahmen, Abwesenheit von Datensätzen, offensichtlich bekannte Daten und Alternativschlüssel. Der Beklagte erteilte in der Vergangenheit mehrfach Auskunft. Nur eben nicht in der Tiefe und Breite, wie sich dies der Kläger wünschte.

 Urteil des VGH

Der VGH entschied vorliegend über den Antrag auf Zulassung zur Berufung und lehnte diesen ab.

Das Gericht begründet seine Entscheidung u.a. damit, dass der Kläger den Inhalt des Schriftverkehrs mit dem Beklagten kenne. Diesen in einer Datenauskunft zu wiederholen, weil der Schriftverkehr, wie heute weitgehend üblich, eingescannt wurde und daher „gespeichert“ ist, sei nicht Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs. Der Kläger hielt hier dagegen und meinte, er kenne zwar den Schriftverkehr, aber nicht die ggf. vom Beklagten auf dem Schriftverkehr oder auf hinterlegten Freitexten angebrachten Bemerkungen, Verfahrenshinweise und Eingangsstempel mit den ggf. darauf angebrachten Vermerken. Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei Eingangsstempeln (ggf. mit ergänzenden Angaben zu Umfang der Schreiben sowie zu den Anlagen und deren Umfang) und Verfahrensvermerken, die Anweisungen an Mitarbeiter enthalten wie z.B. „bitte Hausverbot beachten“ oder „gelegentlich kontrollieren“ oder auch „bitte Antwortschreiben entwerfen“, zumindest in der Regel um keine personenbezogenen Daten. Eingangsstempel und Verfahrensvermerke seien daher regelmäßig keine Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer Person. Zudem habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Auskunft über die Verschlagwortung der Dokumente, über Scan-Daten oder Ordnungsmerkmale, da es sich insoweit nicht um zur Person des Klägers gespeicherte Daten handelt.

Eine Verschlagwortung der Dokumente sowie Scan-Dateien und Ordnungsmerkmale schaffen keine zusätzlich gespeicherten Daten, sondern ermöglichen nur den erleichterten Zugriff auf die gespeicherten Daten.

Im Hinblick auf leere Datenfelder entschied der VGH, dass nicht besetzte (leere) Felder und „abwesende Datensätze“ zu bestimmten sachlichen oder persönlichen Einzelangaben in den Verfahrensverzeichnissen des Beklagten keine gespeicherten personenbezogenen Daten des Klägers enthielten. Wenn eine Information nicht gespeichert ist, ergibt sich daraus keine Information über den Kläger außer der, dass darüber dem Beklagten keine Information vorliegt, jedenfalls aber keine gespeichert ist.

Der VGH befasst sich in seiner Entscheidung zudem auch noch mit weiteren Informationskategorien, die nicht beauskunftet werden müssen. Da es in dem Beschluss auch um die Frage geht, welche Informationen „personenbezogene Daten“ darstellen, ist in diesem Zusammenhang auf die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott am Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 20.7.2017 (Rs. C-434/16) hinweisen. In dem Verfahren geht es um die Frage, ob Anmerkungen auf Prüfungsunterlagen durch den Korrektor als „personenbezogene Daten“ einer betroffenen Person (des Prüflings) eingestuft werden können.

Nach Ansicht der Generalanwältin sind auf der Arbeit befindliche Anmerkungen typischerweise in der Regel untrennbar mit der Arbeit verknüpft, weil sie ohne diese keinen sinnvollen Aussagewert erreichen würden. Die Arbeit selbst verkörpert personenbezogene Daten des Prüfungsteilnehmers. Und diese Daten, so die Generalanwältin, werden gerade zu dem Zweck erhoben und verarbeitet, die in den Korrekturanmerkungen verkörperte Bewertung der Leistung des Prüfungsteilnehmers zu ermöglichen. Daraus folgt für die Generalanwältin:

Schon aufgrund dieser engen Verknüpfung zwischen der Prüfungsarbeit und den auf ihr vorgenommenen Korrekturanmerkungen sind auch Letztere personenbezogene Daten des Prüfungsteilnehmers gemäß Art. 2 Buchst. a der Datenschutzrichtlinie. Die Generalanwältin erstreckt den Personenbezug mithin auch auf schriftliche Anmerkungen des Korrektors und geht folglich von einem weiten Verständnis des Personenbezugs aus. 

Entscheidung EuGH

Der EuGH hat am 20.12.2017 entschieden, dass die in einer berufsbezogenen Prüfung gegebenen schriftlichen Antworten und etwaige Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten personenbezogene Daten des Prüflings darstellen, hinsichtlich deren er grundsätzlich ein Auskunftsrecht hat. 

Argumentation

Zu prüfen war für den EUGH, ob die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu Informationen über den Prüfling i.S.v. Artikel 2 lit. a RL 95/46 darstellen. Er stellte insoweit klar, dass in der Verwendung des Ausdrucks „alle Informationen“ im Zusammenhang mit der Bestimmung des Begriffs „personenbezogene Daten“ in der Richtlinie das Ziel des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck kommt, diesem Begriff eine weite Bedeutung beizumessen. Er sei nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasse potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen „über“ die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung sei erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist. Zunächst spiegelt der Inhalt dieser Antworten nämlich den Kenntnisstand und das Kompetenzniveau des Prüflings in einem bestimmten Bereich sowie ggf. seine Gedankengänge, sein Urteilsvermögen und sein kritisches Denken wider. Im Fall einer handschriftlich verfassten Prüfung enthalten die Antworten zudem kalligrafische Informationen (die Kunst des „Schönschreibens“ von Hand). Des Weiteren zielt die Sammlung dieser Antworten darauf ab, die beruflichen Fähigkeiten des Prüflings und seine Eignung zur Ausübung des betreffenden Berufs zu beurteilen. Schließlich kann sich die Verwendung dieser Informationen, die insb. im Erfolg oder Scheitern des Prüflings der in Rede stehenden Prüfung zum Ausdruck kommt, insoweit auf dessen Rechte und Interessen auswirken, als sie z.B. seine Chancen, den gewünschten Beruf zu ergreifen oder die gewünschte Anstellung zu erhalten, bestimmen oder beeinflussen kann. Somit handele es sich aus den Gründen im Vorliegenden Fall um Personen bezogene Daten. 

Bewertung

Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 2 lit. a RL 95/46 dahin auszulegen ist, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten „personenbezogene Daten“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

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