Zu Beweislastregelungen nach dem Code-Ident-Verfahren (OLG München, Urt. v. 26.1.2017)

Ohne die Einwilligung des Verbrauchers stellt die telefonische Werbemaßnahme eine rechtswidrige geschäftliche Handlung dar, § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Mit seinem Urteil von 26. Januar 2017 beschäftigt sich das Oberlandesgericht München (OLG München)  mit dem Nachweis einer Einwilligung, die im Code-Ident-Verfahren erteilt wurde. Es stellt hierbei fest, dass nach wie vor der Unternehmer bei Erlass einer einstweiligen Verfügung den Nachweis einer durch den Verbraucher erteilten Einwilligung glaubhaft zu machen hat.

Zum Sachverhalt

Am 4. April 2016 kontaktierte die Antragsgegnerin, die gewerblich Verträge zum Kauf von Strom und Gas vermittelt, die bei der Antragstellerin als Rechtsanwältin tätige Zeugin W telefonisch, um sie zum Abschluss eines entsprechenden Stromlieferungsvertrags zu bewegen. Daraufhin wurde vor dem zuständigen Landgericht eine einstweilige Verfügung erlassen. Der Anruf des Antragsgegners sei mangels ausdrücklicher Einwilligung der W nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 UWG als eine unzumutbare Belästigung anzusehen und daher rechtswidrig. Nach der Auffassung des Antragsgegners hingegen habe die Anwältin im Rahmen eines Gewinnspiels in die Werbemaßnahme eingewilligt. Der gegen die einstweilige Verfügung der W eingelegte Widerspruch des Antragsgegners führte nach mündlicher Verhandlung zur Aufhebung derselben. Das Landgericht folgte hierbei dem Vortrag des Antragsgegners, wonach die Zeugin im Rahmen eines Gewinnspiels ihre persönlichen Daten nicht nur preisgegeben, sondern auch in etwaige Werbeanrufe eingewilligt habe. Dass es sich bei W hierbei wirklich um die Teilnehmerin des Gewinnspiels handelte, schloss das Landgericht aus dem hierbei zugrunde gelegten Code-Ident-Verfahren. Mithilfe dieses Verfahrens wird dem Teilnehmer ein zufällig erstellter Teilnahmecode zugewiesen und übersandt, den dieser wiederum in das nach wie vor geöffnete Browserfenster einzugeben hat. Wegen dieser unmittelbaren zeitlichen Abfolge unterstellte das Landgericht, dass auch die Einwilligung in Werbeanrufe von der Zeugin W ausging. Die durch W eingelegte Berufung hat vor dem OLG München Erfolg. Es hebt die Entscheidung des Landgerichts unter Zugrundelegung anderer Glaubhaftmachungslasten auf.

Zwei Parteien – Umstrittener Sachverhalt

Die Aussage der Zeugin W, sie habe in den Werbeanruf nicht eingewilligt, stand im Rahmen der Verhandlungen im unüberwindlichen Widerspruch zu den Bekundungen des Antragsgegners, die dieser mit eidesstattlichen Versicherungen zu untermauern versuchte. Unter Berufung auf ihm vorliegende Datenbankunterlagen gab er an, die Zeugin habe sich im Gewinnspiel eingetragen und hierbei die Einwilligung in die telefonische Kontaktaufnahme zu Werbezwecken angeklickt.

Demgegenüber bestreitet die Anwältin, an dem Gewinnspiel überhaupt teilgenommen zu haben. Daher könne sie auch eine diesbezügliche Einwilligung nicht erteilt haben. Zum Zeitpunkt der Gewinnspielteilnahme sei sie vielmehr dienstlich beschäftigt und daher nicht an ihrem Handy gewesen. Im Übrigen Interessiere sie sich nicht für Gewinnspiele dieser Art. Dass gerichtliche Falschaussagen schließlich zu hohen Geldbußen führen können, sei ihr in ihrer Funktion als Anwältin stets bewusst und daher ohnehin fernliegend.

Keine Begünstigung des Antragsgegners durch das Code-Ident-Verfahren

Nach Maßgabe des § 12 Abs. 2 UWG kann eine einstweilige Verfügung auch ergehen, ohne dass der Anspruchsteller das Fehlen der Einwilligung glaubhaft macht. Für den konkreten Fall war daher maßgeblich, ob diese Vermutung durch das Code-Ident-Verfahren wirksam widerlegt wurde. Bezugnehmend auf die vorangegangene Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH GRUR 2013, 1259 – „Empfehlungs-E-Mail“, Tz. 24) stellt das OLG klar, dass die werbende Antragsgegnerin hinsichtlich der in Rede stehenden Einwilligung darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastet ist. Das hier zur besseren Identifizierbarkeit der Anspruchsgegnerin herangezogene Code-Ident-Verfahren begründet aber keinen Anlass, ihr etwaige Nachweiserleichterungen – in Form einer tatsächlichen Vermutung oder auch in Form einer sekundären Darlegungslast – zuzubilligen. Aus diesem Grund soll es bei der der Anwendung des § 12 Abs. 2 UWG bleiben, wonach einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der fehlenden Einwilligung erlassen werden dürfen. Da nach der Auffassung des OLG aber auch andere Behauptungen der Antragsgegnerin nicht geeignet seien, die umstrittene Einwilligung der W als glaubhaft erscheinen zu lassen, könne die sich aus § 12 Abs. 2 UWG ergebende Vermutung nicht widerlegt werden.

Fazit: Hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung und verbraucherfreundliche Rechtsanwendung

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist eine telefonische Werbemaßnahme nur gerechtfertigt, wenn der hiervon betroffene Verbraucher wirksam darin eingewilligt hat. Bei Erlass einer einstweiligen Verfügung muss der Werbetreibende die Identität von Einwilligendem und angesprochenem Marktteilnehmer glaubhaft machen. Hieran stellt die Rechtsprechung äußerst hohe Anforderungen: Es genügte im konkreten Fall nicht einmal das angesprochene Code-Ident-Verfahren, um die Vermutung des § 12 Abs. 2 UWG glaubhaft zu widerlegen und den Werbeanruf so zu rechtfertigen. Das UWG will durch die Vermeidung ungerechter Wettbewerbsvorteile nicht nur Konkurrenten, sondern insbesondere auch Verbraucher schützen, die als Marktteilnehmer zahlreichen Werbestrategien großer Konzerne ausgesetzt sind. Da das Verhalten von Akteuren am Markt nicht in eine Belästigung umschlagen darf, sind solche Nischen – wie zum Beispiel Gewinnspiele, die dem Verbraucher persönliche Daten entlocken sollen – streng zu reglementieren.

[SN1]Oberlandesgericht München (OLG München)

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Leistung: Anwaltliche Beratung

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