Big Data beim Bewerbermanagement

Im Zeitalter von Big Data und Co ist es nicht verwunderlich, dass Unternehmen bei der Bewerberauswahl auf neue Datenquellen zugreifen. Es ist allgemein bekannt, dass soziale Netzwerke wie z. B. Facebook Bewegungsprofile ihrer Nutzer erstellen. Mobilfunkanbieter nutzen Standortdaten des Handys, auch wenn dessen GPS-Einstellung nicht aktiviert ist, um Bewegungen des Nutzers zu ermitteln. Cookies oder Trackingpixel verfolgen das Surfverhalten der Internetnutzer. Social-Data-Aggregatoren wie z. B. Postano, Tint, Datasift, Gnip oder Hootsuite bieten eine Vielzahl solcher Datensätze zum Verkauf an. Das Unternehmen Twitter Inc. verkauft sogar die Tweets der letzten Jahre an interessierte Käufer. Unternehmen zeigen zunehmende Interesse an derlei Datensätzen und kaufen diese, um zukünftiges Verhalten vorherzusagen oder auch um diese beim Bewerbermanagement zu nutzen.

Der Grundsatz der Direkterhebung

Grundsätzlich müssen Unternehmen wegen dem Grundsatz der Direkterhebung personenbezogene Daten direkt beim Bewerber erheben. Ausnahmsweise ist die Erhebung ohne Mitwirkung des Bewerbers nach § 4 Abs. 2 S. 2 BDSG möglich, wenn

  • eine Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend voraussetzt oder (§ 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BDSG)
  • die zu erfüllende Verwaltungsaufgabe ihrer Art nach oder der Geschäftszweck eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich macht oder (§ 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 a))
  • die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde (§ 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 b) BDSG)

Zudem dürfen bei keinem dieser Fälle Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden.

Anwendung von § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG bei der Nutzung gekaufter Facebook-Daten?

Nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG darf das Unternehmen nur personenbezogene Daten eines Bewerbers erheben, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist. Für die Bestimmung der Erforderlichkeit, sind die durch das BAG entwickelten Grundsätze zu Fragerecht und Offenbarungspflicht (Kania/Sansone, NZA 2012, 360, 360) die z. B. Alter, Behinderung, Familienplanung, Gesundheitszustand, Gewerkschaftszugehörigkeit, Schwangerschaft etc. betreffen heranzuziehen. Auf Bewerber ist diese Norm ebenfalls anwendbar (§ 3 Abs. 11 Nr. 7 BDSG). Auch könnte sie eine Datenerhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen rechtfertigen. Dazu müsste § 32 BDSG eine Ausnahmevorschrift zum Grundsatz der Direkterhebung darstellen. Die Ausnahme des § 4 Abs. 2 Nr. 1 BDSG ist nicht einschlägig, da allenfalls § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG eine Datenerhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen vorsieht. Für § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG kommt nur die Ausnahme des § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 a) Var. 2 BDSG in Betracht (Forst, NZA 2010, 427, 431). Danach ist eine Datenerhebung ohne Mitwirkungen des Betroffenen zulässig, wenn der Geschäftszweck eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich macht. Demgemäß hat eine Abwägung zwischen den Interessen des Unternehmens und des Bewerbers zu erfolgen. Damit das Interesse des Unternehmens überwiegt, muss die Erhebung der Bewerberdaten zum Zwecke der Entscheidung über die Eingehung des Beschäftigungsverhältnisses erfolgen. Die Datenerhebung muss sich hierbei auf die fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung des Bewerbers hinsichtlich der konkret zu besetzenden Position beschränken. Daten über private Aktivitäten oder Hobbys sind damit nicht erfasst. Da gekaufte Daten kaum nach diesen Anforderungen getrennt sind, fehlt es hier bereits an der Erforderlichkeit. Der Erlaubnistatbestand des § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG scheidet aus.

Anwendung von § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG bei der Nutzung gekaufter Facebook-Daten?

Soweit § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG nicht anwendbar ist, kommt subsidiär noch der Erlaubnistatbestand des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG in Betracht. Danach ist die Erhebung zulässig, wenn die Daten allgemein zugänglich sind, es sei denn, es besteht ein offensichtliches schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an der Nicht-Nutzung der Daten (Oberwetter, BB 2008, 1562, 1564). Bei einer Datenerhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen müsste § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG ebenfalls eine Ausnahmevorschrift zum Grundsatz der Direkterhebung darstellen. Nach § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BDSG gilt der Grundsatz der Direkterhebung nicht, soweit eine Rechtsvorschrift eine Datenerhebung ohne Mitwirkung des Betroffene vorsieht. Nach einer Ansicht stelle § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG eine solche Vorschrift dar, denn die Voraussetzung der allgemeinen Zugänglichkeit impliziere eine Datenerhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen (Forst, NZA 2010, 427, 431 mit Verweis auf weitere Quellen). Nach anderer Ansicht könne bei der Erhebung von Bewerberdaten im Zusammenhang mit der Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses gerade nicht auf § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG zurückgegriffen werden. Das mache schon die Entstehungsgeschichte der Norm deutlich. Selbst wenn man davon absehe, ergebe sich kein anderes Ergebnis. Die Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen stütze sich auf die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG), diese enthalte nicht die zusätzliche Berechtigung, die gewonnen Informationen mit andern zu verknüpfen und damit zahlreiche Aussagen bis hin zu einem Persönlichkeitsprofil zu erstellen (DKWW/Däubler, BDSG, § 32 Rn. 56 f.). Bei gekauften Facebook-Daten können die gegensätzlichen Meinungen dahin stehen, da das Unternehmen in seinen AGB festgelegt, dass nur eine Nutzung zu privaten Zwecken zugelassen ist. Außerdem muss sich der Nutzer zuvor registrieren, um das soziale Netzwerk zu nutzen. Aus diesen Gründen scheidet eine allgemeine Zugänglichkeit i. S. d § 28 Abs. 1 S.1 Nr. 3 BDSG aus (Kania/Sansone, NZA 2012, 360, 363). § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG kommt deshalb nicht als Erlaubnistatbestand in Betracht.

Einwilligung in die Nutzung von gekauften Facebook-Daten?

Darüber hinaus können Einwilligungen (§ 4 Abs. 1 BDSG) eine taugliche Rechtsgrundlage für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten innerhalb des Beschäftigungsverhältnisses sein, dies hat das BAG bereits in einem Urteil vom 11. Dezember 2014 (Az. 1010/13) klargestellt. Die Einwilligung kommt aber im Bewerbungsverfahren praktisch nicht in Betracht, da der Unternehmer diese schon im Vorfeld einholen müsste. Er müsste den Bewerber auf den Zweck der Datenerhebung und die Folgen einer verweigerten Einwilligung hinweisen. Ein solcher Hinweis dürfte, auch bei konkludenter Einwilligung, regelmäßig fehlen (Forst, NZA 2010, 427, 431).

Haben Sie Fragen? Kontaktieren Sie gerne: RA Nicole Schmidt, LL.M.
Leistung: Beratung Datenschutzrecht

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