Beweisverwertungsverbot bei heimlicher Videoüberwachung des Arbeitgebers

Sind heimliche Aufnahmen von Mitarbeitern zulässig? Dürfen diese, unabhängig ihrer Rechtmäßigkeit, in einem Kündigungsprozess als (Tat-)Beweis vor Gericht verwertet werden? Zu diesen Fragen hatte das Arbeitsgericht (ArbG) Frankfurt a. M. am 27.01.2016 (Az.: 6 Ca 4195/15) im folgenden Fall Stellung genommen.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen oder hilfsweise ordentlichen Kündigung und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitsplatz der Mitarbeiterin (Klägerin) befindet sich in einem, für Kunden nicht zugänglichen, Büroraum (Einzelhandelsunternehmen der Unterhaltungselektronik) mit Zugang zu einem Tresor. Darin werden Kundengelder und Briefmarken aufbewahrt. Alle Mitarbeiter haben Zugang zum Tresorschlüssel. Auf den Schreibtisch der Arbeitnehmerin gerichtet, ist im Büro eine Kamera installiert, wovon diese weder wusste noch auf die Videoüberwachung hingewiesen wurde. Die Aufzeichnungen beweisen laut Arbeitgeber (Beklagter) einen Diebstahl der Arbeitnehmerin vom Inhalt des Tresors i.H.v. 500,- €. Andere Beweise oder Zeugen liegen nicht vor. Die Arbeitnehmerin ist der Auffassung, dass die Videoaufnahme ungültig ist und vor Gericht nicht verwertet werden kann, so dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Beurteilung nach § 32 I BDSG

Videoaufzeichnungen von Arbeitnehmern sind Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten i.S.d. § 3 I BDSG. Finden diese heimlich und in nicht öffentlich zugänglichen Räumen statt, so richtet sich die Zulässigkeit der Aufnahmen mangels Einwilligung des Arbeitnehmers ausschließlich nach § 32 I BDSG.

Zulässigkeit heimlicher Tresorüberwachung

Die Zulässigkeit der Videoüberwachung des Tresors als präventive Maßnahme richtet sich allein nach § 32 I 1 BDSG, da gem. § 32 I 2 BDSG ein konkreter Verdacht einer Straftat gegeben sein muss. Das fehlte hier. Danach kommt eine Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung zum Zwecke des Beschäftigtenverhältnisses nur dann in Betracht, wenn dies u.a. für die Durchführung und Beendigung des Beschäftigtenverhältnisses erforderlich ist, d.h. die Überwachung des Tresors zum Schutz der Geldbeträge muss geeignet und verhältnismäßig sein.

Eine Arbeitnehmerüberwachung kann demnach dem Schutz wertvoller Gegenstände des Arbeitgebers, vorliegend von Geldbeträgen in einem Tresor, dienen. Es darf sich bei gleicher Eignung jedoch kein milderes Mittel finden, das den Arbeitnehmer weniger beeinträchtigt. In die Verhältnismäßigkeitsprüfung haben Zeitpunkt, Dauer, Ort, Art und Umfang der Kontrolle miteinzufließen, wobei Dauerüberwachungen nur in engen Grenzen zulässig sind.

Der Arbeitnehmer könnte beispielsweise den Kreis der Zugangs- oder Schlüsselberechtigten eingrenzen, ein Kassenbuch führen oder die Tresoröffnung nach einem Vier-Augen-Prinzip durch einen hierfür geeigneten Tresor ermöglichen.

Die Videoüberwachung ist zwar geeignet Geldbeträge in einem Tresor – präventiv – zu schützen, aber nicht erforderlich.

Unzulässige Videoüberwachung

Die anlasslose, heimliche, dauerhafte Videoüberwachung in einem nicht öffentlich zugänglichen Büroraum ist unverhältnismäßig i.S.d. § 32 I 1 BDSG. In diesem Fall verstößt die heimliche Videoüberwachung gegen das Datenschutzrecht und ist unzulässig.

Folge: Beweisverwertungs-/Beweiserhebungsverbot?

Das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) und die Zivilprozessordnung (ZPO) kennen kein Verbot der Verwertung rechtswidriger Beweismittel. Das hat jedoch nicht zur Folge, dass jedes auch rechtswidrig erlangte Beweismittel verwertbar ist. Umgekehrt folgt daraus ebenso wenig zwingend die prozessuale Unverwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel (herrschende Meinung). Erst wenn ein Verstoß gegen grundgesetzlich geschützte Rechtsgüter (wie Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) des Arbeitnehmers vorliegt und nach Interessenabwägung die Verwertung nicht ausnahmsweise gerechtfertigt ist, führt dies zu einem Beweisverwertungs- und erhebungsverbot. Ob vorliegend die Verwertung und infolgedessen die Erhebung vor Gericht wegen Verstoßes gegen § 32 I 1 BDSG folgt, hat das Gericht jedoch offen gelassen. Dabei orientiert sich das Gericht am Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) (Az: 2 AZR 797/11).

Ein Verwertungsverbot bzw. ein Erhebungsverbot der Aufnahmen als Beweis vor Gericht ergibt sich hier demnach aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmerin (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG), die nicht durch überwiegende (Beweis-)Interessen des Arbeitnehmers gerechtfertigt sind. Dies beinhaltet auch das Recht am eigenen Bild und der informationellen Selbstbestimmung, also selbst darüber zu entscheiden, ob personenbezogenen Daten von einem erhoben, verarbeitet oder genutzt oder auch gegen ihn verwertet werden.

Ergebnis

Für eine wirksame Kündigung fehlt es hier an einem wichtigen Grund gem. § 626 I BGB. Als ein solcher käme eine erhebliche Pflichtverletzung in Betracht wie z.B. eine nachgewiesene Straftat. Der Tatvorwurf konnte nicht belegt werden. Dem Arbeitgeber fehlen insofern (zulässige) Beweismittel, so dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

 

Haben Sie Fragen? Kontaktieren Sie gerne: RA Nicole Schmidt, LL.M.
Leistung: Beratung Datenschutzrecht

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